Forgotten Heroes I
Wer seine Kindheit zumindest zeitweise in Norddeutschland verbracht hat und jetzt schon deutlich über dreißig ist, kann sich vielleicht noch an folgendes Bild erinnern: Da schwebte ein riesengroßer bunter Heißluftballon über norddeutschen Städten und Landschaften und dazu ertönte eine sehr einfach, aber eingängige Melodie, gespielt auf einer Gitarre. Dieses Stück nannte sich „Das Loch in der Banane“ und allein der Titel wurde gerne als Witz weiter gereicht: „Weißt du eigentlich, wie das heißt?“ … Es war die Pausenmusik des NDR Fernsehen. Verzapft hatte das Ganze Klaus Weiland und er selber behauptete später, dass er den Titel nur gewählt habe, weil sein Stück keinen Titel hatte und die Leute vom NDR ihn nervten. Die Musik stammt aus einer Zeit, als die Gitarre nicht nur Begleitinstrument zur depressiven Nabelschau war, sondern irgendwie fast so hoch und ernsthaft verehrt wurde wie einst in bürgerlichen Kreisen das Klavier. Seit Merle Travies hatten sich verschiedene Picking-Stile auf den Stahlsaiten breit gebracht. Große Berühmtheit erlangte zum Beispiel Davey Grahams Blues-Lamento „Angi“, nicht nur der junge Paul Simon musste daran beweisen, dass er Gitarre spielen konnte, dies ist auch der einzige Beitrag, den ich jemals für die deutschsprachige Wikipedia schrieb. Und allerspätestens seit John Denver wusste man, dass man auch die Variante mit den zwölf Saiten nicht nur zum Schrumm-Schrumm und als Soundfiller benutzen, sonden auch wirklich spielen konnte. Ausgefallene Stimmungen kamen dazu, so dass die Saiten gerne auch mal schepperten wie eine Sitar.
Ein vergessener Meister der zwölfsaitigen Gitarre, der es in der europäischen Folkszene zu einer kleinen Berühmtheit gebracht hatte, war der Niedersachse Andreas Rohde, dessen berühmter Song „The Boomerang“ tatsächlich eine Zeit lang auch als Maß spieltechnischen Könnens galt. Hier ist er zu finden auf Youtube: The Boomerang. Glücklich wer noch die echte, analoge Platte besitzt. Aufgenommen 1983, als der Höhepunkt der Gitarren-Ära schon am Abflauen war und sich immer mehr Synthie-Klänge breit machten, ziemlich sicher noch auf echten Bändern, erschien „Resonance“ mit dem hübschen folkigen Schwarz-Weiß-Cover im legendären Label Stockfisch Records. Dass Andreas auch wunderschön singen konnte, bewies er mit „Everytime you near“. Meines Wissen machte Andreas Rohde damals zwei Platten. Heute kennen ihn nur noch ein paar Gitarren-Teesocken-Opas und ein paar ehemalige Strickzipfelmützenfrauen. Danke an Ralf Blume für’s Online-Stellen dieser wundervollen Aufnahmen.
Snorre, 30.11.2019